Zielfahndung

Zielfahndung ist die planmäßige, aktive Suche der Strafverfolgungs-behörden nach ausgewählten Straftätern, die besonders gefährlich sind oder wegen besonders schwerer Gewalt- oder Wirtschaftsdelikte ausgeschrieben sind.

Sonntag, 21. März 2010

Senftenberger Drogendealer gefasst

Radio Cottbus: 15.01.2010

Ein 24-jähriger Senftenberger konnte jetzt von Zielfahndern des Landeskriminalamtes in Österreich festgenommen werden. Der bereits zu drei Jahren und 10 Monaten Gefängnis verurteilte Mann hatte unter anderem 30 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz begangen. Im Sommer 2009 hatte der 24-jährige seine Haftstrafe nicht angetreten und war untergetaucht. Das LKA Brandenburg wurde daraufhin mit der Zielfahndung beauftragt. Mit Hilfe der Wiener Kollegen konnte der Drogendealer nun in Neustift im Stubaital aufgespürt und in Gewahrsam genommen werden. Gestern wurde er dem Haftrichter vorgeführt. Der 24-jährige hatte bei der Festnahme eine beträchtliche Menge Rauschgift bei sich.

Zielfahnder überführen Verdächtigen ins Saarland

Veröffentlicht von Polizei Saarland am 5. Januar 2010 —


Saarbrücken. Nachdem ein 58-jähriger Geschäftsmann zu seinem angesetzten Verhandlungstermin vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Saarbrücken im September 2009 nicht erschienen war, übernahmen die Zielfahnder des LKA auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Saarbrücken die Fahndung nach dem Angeklagten.

Am 13.11.2009 klickten an einem Grenzübergang zwischen Serbien und Mazedonien die Handschellen.

Es sollte für die drei Angeklagten der Einstieg in ein finanziell besseres Leben werden. Was blieb ist ein Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft Saarbrücken und letztlich eine Anklage vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichtes. Im März 2001 half der 58Jahre alte Geschäftsmann bei der Finanzierung einer Firma, die sich die Produktion und den Vertrieb eines Wassersportgerätes zum Ziel gesetzt hatte. Die Mischung aus Segelboot und Katamaran, kurz Seacart genannt, wurde zudem durch den damaligen Leiter einer Saarbrücker Sparkassenfiliale und einen Geschäftspartner aus Nordrhein-Westfalen unterstützt.

Im Zusammenwirken dieser drei Personen wurden u.a. Konten mit hohen Kreditlinien eingerichtet, wobei offenbar eine Rückzahlung von Beginn an fraglich war. Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, wie zum Beispiel eine angebliche Teilhabe an Diamantund Kunstgeschäften, veranlassten sie weitere Personen entweder Kredite aufzunehmen oder Umschuldungen durchführen zu lassen. Die so erlangten Gelder wurden dem 58-Jährigen und seinem Partner aus Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt. Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen kann dem jetzt Festgenommenen eine Schadenssumme von ca. 335.000 Euro zugeschrieben werden.

Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichtes Saarbrücken hat am 15.09.2009 gegen den Angeklagten Haftbefehl erlassen, nachdem er zur Hauptverhandlung nicht erschienen war. Weitere, durch das Landgericht in Auftrag gegebene Ermittlungen hatten zudem ergeben, dass er sich an seiner Meldeadresse in Baden-Württemberg nicht mehr aufhielt.

Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken ersuchte die Zielfahndung des LKA Saarland um die Festnahme des Flüchtigen. Bereits nach kurzer Zeit ergaben sich konkrete Hinweise auf seinen Aufenthalt im Raum Kroatien und Serbien-Montenegro. Dort ging der Gesuchte weiterhin seinen Geschäften nach.

Am 13.11.2009 konnte der 58-Jährige durch die Serbischen Behörden nach erfolgter guter Zusammenarbeit mit den Zielfahndern des LKA Saarland an einem Grenzübergang zwischen Serbien und Mazedonien festgenommen werden. Seit dieser Zeit befand er sich in Auslieferungshaft.

Am 22.12.2009 übernahmen LKA Beamten den Festgenommenen in Belgrad und brachten ihn zurück ins Saarland. Nach seiner Vorführung am 23.12. beim Landgericht Saarbrücken wurde der Geschäftsmann in die JVA Saarbrücken eingeliefert.

Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken wirft ihm gewerbsmäßig begangenen Betrug in 5 Fällen vor. Außerdem gewerbsmäßige Anstiftung zur Untreue in 6 Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung.

LKA-Zielfahnder nehmen Diplomaten wegen Millionenbetrugs fest

Eberswalde/Frankfurt am Main (ddp-hes).12.11.09 SR

Zielfahnder desLandeskriminalamtes (LKA) Brandenburg haben einen mutmaßlichen Millionenbetrüger in einer Wohnung in Frankfurt festgenommen. Wie das LKA gestern mitteilte, wird dem 41-jährigen Staatsbürger der Republik Sao Tome und Principe gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen. Er soll von 1998 bis 2000 mit einem weiteren Beschuldigten über eine
Umwelttechnikfirma Fördermittel der Landesinvestitionsbank
Brandenburg in Höhe von etwa zehn Millionen D-Mark bezogen und privat verwendet haben. Der Gesamtschaden inklusive weiterer Kredite unter anderem bei der KfW-Bank beläuft sich den Angaben zufolge auf etwa 15 Millionen D-Mark.

Der in Italien geborene Mann ist diplomatischer Vertreter von Sao Tome und Principe in Belgien sowie Konsul dieser Republik in Italien, wie es weiter heißt. Eine Festnahme war daher nur möglich, wenn er nicht in diplomatischer Mission, sondern privat oder geschäftlich in Deutschland unterwegs war.

Die Zielfahnder stellten daher zunächst die diplomatischen und geschäftlichen Aktivitäten des Gesuchten fest. Nach seiner Einreise nach Deutschland wurde er dann in der Nähe einer für ihn ermittelten Wohnung in Frankfurt festgenommen. Der 41-Jährige wurde zum Landgericht Potsdam gebracht und anschließend in eine Haftanstalt eingeliefert.

12.11.09 SR

Zielfahnder des Landeskriminalamtes spürten gesuchten Enkeltrickbetrüger auf

Sauerlandnachrichten.de

Gegen den Beschuldigten, der verdächtigt wird, sich als Haupttäter einer Bande auf den „Enkeltrickbetrug“ …
Märkischer Kreis – In den Abendstunden des 01.03.2010 wurde im Bereich Hagen ein 31-jähriger Gelsenkirchener durch Zielfahnder des Landeskriminalamtes NRW festgenommen. Die Ergreifung erfolgte im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Essen wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Bandenbetruges. Gegen den Beschuldigten, der verdächtigt wird, sich als Haupttäter einer Bande auf den „Enkeltrickbetrug“ spezialisiert zu haben, war ein EU-Haftbefehl ausgestellt worden.
Auf die Spur des Täters kam die gesondert eingerichtete „Ermittlungsgruppe Senioren“ der Kreispolizeibehörde Märkischer Kreis. Sie ermittelten von Oktober 2006 bis März 2007 gegen eine Gruppierung, die es gezielt auf ältere Mitbürger abgesehen hatte, um diese um ihre Ersparnisse zu betrügen.
Bandenmitglieder hatten gegenüber Senioren in Telefonaten vorgegeben, ein Familienmitglied zu sein und sich in einer schwierigen finanziellen Situation zu befinden. Durch ihre schauspielerischen Fähigkeiten hatten sie die Opfer dazu gebracht, den vermeintlichen Angehörigen mit größeren Geldbeträgen „auszuhelfen“.
Zwei Mittäter des jetzt Gefassten wurden in gleicher Sache bereits zu Haftstrafen von sechs Jahren, sowie fünf Jahren neun Monaten verurteilt.
Der Festgenommene wurde am 02.03.2010 dem Amtsrichter des AG Hagen vorgeführt, gegen ihn wurde Untersuchungshaft erlassen.

Goldräuber geschnappt

NEUMARKT-online.de 09.03,.2010

Einer der gesuchten Täter beim spektakulären Überfall auf einen Neumarkter Gold-Transporter konnte jetzt festgenommen werden.

Nach Informationen von neumarktonline handelt es sich um den 22 Jahre alten Sidar C., der jetzt Zielfahndern ins Netz ging.

Wie das Landeskriminalamt Baden-Württemberg, die Polizeidirektion Ludwigsburg und die Staatsanwaltschaft Stuttgart am Dienstag mitteilten, konnten Zielfahnder und Spezialkräfte den Mann bereits letzten Donnerstag als "einen weiteren der mutmaßlichen Goldräuber" in Meckenheim in Nordrhein-Westfalen auf offener Straße verhaften. Der 22jährige Mann sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft.

Die drei anderen mit Fahndungsfotos gesuchten Räuber sind noch auf der Flucht - darunter Kawa Homan-Ghazi, der als "Kopf" des Raubüberfalls gilt, und der in einschlägigen Musikkreisen als Rapper "Xatar" bekannte Giwar Hajabi.

Sie sollen im Dezember vergangenen Jahres bei Ludwigsburg an einem Raub auf einen Neumarkter Transporter beteiligt gewesen sein, in dessen Zuge Schmuck und Zahngold im Wert von 1,8 Millionen Euro erbeutet worden sind (wir berichteten mehrfach).

Zur Erinnerung:
Zwei Angestellte eines Schmuck- und Goldhandelsunternehmens mit Sitz in Neumarkt und Nürnberg, die mit dem Neumarkter Firmeninhaber verwandt sind, befanden sich am Dienstag, 15.Dezember 2009, auf dem Weg von Nürnberg nach Pforzheim und transportieren Schmuck sowie Zahngold im Wert von rund 1,8 Millionen Euro, das zur Einschmelzung in einer Scheideanstalt vorgesehen war. Sie waren unterwegs mit einem silber-grauen Daimler Chrysler vom Typ Sprinter mit dem Neumarkter Kennzeichen NM-RH 818 und mit der Aufschrift "Antik- und Schmuckmärkte - Neumarkt". Fahrtbeginn war gegen 8.30 Uhr am Ladengeschäft in der Allersberger Straße in Nürnberg, wo unmittelbar vor Fahrtbeginn – zwischen 8 und 08.15 Uhr – das Fahrzeug beladen wurde.

Auf der BAB 81, zwischen den Anschlussstellen Pleidelsheim und Ludwigsburg-Nord, wurden sie von einem mit drei Männern besetzten, dunklen 3er oder 5er BMW mit Nürnberger Behördenkennzeichen überholt Im Bereich des Armaturenbretts war ein Blaulicht in Betrieb, im Bereich der Heckscheibe eine rote Leuchtschrift "Bitte folgen". Die Geschädigten folgten diesem BMW über die Ausfahrt Ludwigsburg-Nord auf die B27, Fahrtrichtung Ludwigsburg und wurden von diesem unter der dortigen Autobahnbrücke gegen 10 Uhr gestoppt.

Sie wurden von den Tätern, die sich als Steuerfahnder ausgaben, zum Verlassen des Fahrzeugs aufgefordert mit dem Hinweis, dass sie aufgrund von Steuerhinterziehung verhaftet seien. Außerdem sei ihr Fahrzeug beschlagnahmt. Zeitgleich finde eine Durchsuchung der Firma in Nürnberg statt.

Unmittelbar darauf wurden ihnen Handschließen angelegt und sie wurden in den BMW gebracht. Sämtliche Täter waren mit grünen Oberteilen und schwarzen
Der Neumarkter Wert-Transporter wurde verlassen und ausge-
raubt in Mundelsheim entdeckt. Westen mit der Aufschrift "Polizei" bekleidet. Die Opfer sahen bei den Tätern allerdings keine Waffen. Zeitgleich hielt hinter dem Fahrzeug der Geschädigten ein roter VW-Bus mit abgedunkelten Scheiben, Typ 4 oder Typ 5, mit dem Kennzeichen SÜW-? oder SU-W an, aus dem ein vierter Täter ausstieg.

Der BMW mit den beiden Opfern und das Neumarkter Fahrzeug wurden anschließend wieder auf die BAB 81, Fahrtrichtung Heilbronn, gelenkt. In einem Waldstück zwischen der Strecke Neuenstadt – Bad Friedrichshall und Oedheim wurden die beiden Männer auf einem Waldweg gefesselt ausgesetzt. Den Männern, die nicht verletzt wurden, gelang es wenig später, zur Straße zurückzukehren und Fahrzeuge anzuhalten, deren Insassen die Polizei verständigten.

Der gestohlene Sprinter wurde am Abend in Ortsnähe von Mundelsheim, im Bereich der dortigen Autobahnausfahrt, auf einem Wanderparkplatz aufgefunden.. Bei der Kriminalpolizei Ludwigsburg wurde zur Klärung der Tat noch am Tattag die Ermittlungsgruppe "Gold" eingerichtet.

Interview mit Ex-Zielfahnder Hofmann

Joschkas Jäger

Von Markus Deggerich für den Spiegel 23.01. 2001

Er demonstrierte gegen den Staat. Dann war er Zielfahnder beim BKA. Im Visier: Der Terrorist Hans-Joachim Klein, und damit Joschka Fischer. Heute sitzt Frank Hofmann im Bundestag. Ein Interview über '68, Fischer und eine hysterische Gesellschaft.


Joschka Fischer im Straßenkampf


SPIEGEL ONLINE:
Als Student demonstrierten sie mit den 68ern auf der Straße. Später waren Sie beim Bundeskriminalamt als Zielfahnder in der Terrorismusbekämpfung. Wollen Sie noch Außenminister werden?

Hofmann: Danke, ich bin ausgelastet. Ich hatte damals aber keine Pflastersteine gesammelt und...

SPIEGEL ONLINE: ...danach haben wir gar nicht gefragt. Warum muss man sich heute sofort rechtfertigen, wenn es um 68 geht?

Hofmann: Weil heute versucht wird, die Geschichte umzuschreiben. Das ist wie eine nachträgliche öffentliche Gerichtsverhandlung über eine ganze Generation.

SPIEGEL ONLINE: Wie haben Sie es denn damals empfunden?

Hofmann: Ich komme aus einem Dorf mit 450 Einwohnern. Ich kann mich gut an die Stammtischgespräche erinnern. Diese Jagd auf Linke fanden die prima, das war Wild West. Das hat mir etwas von Deutschland gezeigt, wie man es sich nicht wünscht. Eine überhitzte Situation, die einen in Solidarität trieb mit Ideen, über die man gar nicht nachdachte.

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie Marx etwa nicht gelesen?


DPA
Frank Hofmann: 68 ist nur im Kontext zu verstehen
Hofmann: Um Gottes willen, nein. Ich betrachtete das als Student eher distanziert aus soziologischer Perspektive.
"Elektrisiert und hysterisch"

SPIEGEL ONLINE: Und später als Polizist?

Hofmann: Als ich beim BKA anfing, überprüfte ich als erstes in der Kartei, ob dort Informationen über unsere Wohngemeinschaft archiviert waren. Unser Haus war tatsächlich als verdächtiges Objekt erfasst. Wir waren nur absolut harmlose Studenten, die mit auf Demonstrationen gingen, aber mit Gewalt nichts zu tun hatten. Alle sind in bürgerlichen Berufen gelandet. Aber wir waren erfasst. Da wurde mir klar, wie elektrisiert, hysterisch und politisiert die Gesellschaft damals war. Auf beiden Seiten.

SPIEGEL ONLINE: Sie kennen beide Seiten. Was dachte man übereinander?

Hofmann: Du hast keinen Menschen, kein Individuum mehr gesehen. Für Demonstranten waren die Männer hinter den Schutzschildern das System an sich. Polizisten wurden darauf gedrillt, das staatliche Gewaltmonopol vor der "Gefahr von Links" zu schützen.

"Das war entwürdigend"

SPIEGEL ONLINE: Wie unterscheiden sich die Erfahrungen als Demonstrant und als Polizist?

Hofmann: Als Demonstrant war es mir unheimlich, fotografiert zu werden. Du wusstest nicht, was mit den Bildern gemacht wird, wofür sie verwendet werden. Du lebtest in dem Bewusstsein eines Überwachungsstaats, der in deine Privatsphäre eindringt. Als ich später als Polizist ein verdächtiges RAF-Mitglied dem Richter vorführte, spuckte er mir ins Gesicht. Der hat in mir keinen Menschen mehr gesehen. Das war entwürdigend.

SPIEGEL ONLINE: Wie äußerte sich diese Elektrisierung der Gesellschaft?

Hofmann: Wenn du unter Studenten wahrgenommen werden wolltest, musstest du dabei sein. Jenseits aller politischen Ernsthaftigkeit, der Auseinandersetzung mit Nazi-Vätern und einer Gesellschaft im Stillstand, war es auch eine Modeerscheinung. Links war hip. Auf Seiten der Polizei verrutschten die Maßstäbe. Nach der Ermordung Schleyers gab es die Anweisung an alle BKA-Beamte, jederzeit bewaffnet zu sein. Sie müssen sich 2000 Beamte in einer Behörde vorstellen, nicht im Außendienst, sondern pendelnd zwischen Büro und Kantine: Jeder bewaffnet. Das veränderte auch die Atmosphäre und wirkte auf Menschen militärisch.

"Das war damals Neuland"

SPIEGEL ONLINE: Studenten entdeckten die Straße als Bühne und besetzten Häuser. Auf der anderen Seite gab es eine massive Polizeipräsenz im Alltag. Wie beeindruckte beides den normalen Bürger?


REUTERS
Joschka Fischer muss sich vor dem Bundestag rechtfertigen
Hofmann: Es war unorganisiert und man konnte die Folgen nicht abschätzen. Was wir heute als selbstverständlich empfinden - eine Demo auf der Straße - war damals Neuland. Die Straße war im allgemeinen Bewusstsein dem Verkehr vorbehalten, nicht für Demos und Versammlungsfreiheit. Polizei und Demonstranten mussten erst noch lernen, damit umzugehen. Der Begriff der Deeskalation spielte erst in den achtziger Jahren eine Rolle. Weder Demonstranten noch Polizisten waren sich im Klaren, dass sie Ängste auslösten. Wenn Polizisten Häuser durchsuchten, waren die Bewohner für ihre Nachbarn etikettiert, stigmatisiert, kriminalisiert. Das ist heute eine Selbstverständlichkeit: Die Erkenntnis, dass die Atmosphäre in einer Gesellschaft Rückwirkungen auf die Persönlichkeit der Agierenden hat.
SPIEGEL ONLINE: Warum müssen Fischer und Trittin sich so rechtfertigen?

Hofmann: Weil Einzelereignisse aus dem Kontext gelöst werden. Aber ohne den Kontext sind sie gar nicht zu verstehen. Sie werden bewertet nach Maßstäben und mit dem Wissen von heute. Das ist völlig unzulässig. Nähme man heute ein einzelnes Foto von einem Polizisten, der damals auf einen Demonstranten einprügelte, wäre das genauso unzulässig als Beleg für die Agression des Staates.

SPIEGEL ONLINE:
Wie erklären Sie sich die plötzlich so breite und aufgeregte Debatte?

Hofmann: Der Mythos 68 spukt in vielen Köpfen herum, und diese Diskussion um Fischer und Trittin ist eine Stellvertreter-Diskussion über die Geschichte und ihre Deutung. Das liegt auch daran, dass viele Angehörige dieser Generation heute in Entscheider-Positionen sind, die solche Diskussionen steuern: Medien, Schulen und Hochschulen, Politik. Fischer ist damit Stellvertreter für viele, eine Projektionsfläche.

Genervt vom Mythos 68

SPIEGEL ONLINE: Aber die Diskussion trägt nicht zur Klärung bei. Viele Nachgeborene kriegen das große Gähnen oder sind genervt vom Mythos 68 und seinen Repräsentanten.

Hofmann: Das liegt an der politischen Instrumentalisierung der Diskussion. So wie sie geführt wird, klärt und erklärt sie gar nichts. Man kann nicht anhand eines Fotos darstellen, wie sich damals Aggression von beiden Seiten hochschaukelte. Fotos von besetzen Häusern erzählen auch noch nicht die Geschichte der Immobilienspekulation in Frankfurt zu der Zeit.

SPIEGEL ONLINE: Wo waren die Grenzen beim Übergang vom Fahnenschwenker zum Steinewerfer, zum Terroristen?

Hofmann: Die Grenzen waren fließend. Aber es gab natürlich Grenzen. In den Untergrund zu gehen, ist schon eine bewusstere Entscheidung, genährt von dem Bild eines repressiven, aggressiven Staates, den es zu bekämpfen gilt.


DPA
Der Außenminister und sein früherer Freund Klein
SPIEGEL ONLINE: Sie haben sich dann entschieden, dem Staat zu dienen und als Zielfahnder beim BKA den Terroristen Hans-Joachim Klein gesucht.
Hofmann: Ich glaube an das Gewaltmonopol des Staates. Das ist eine sinnvolle Einrichtung zur Befriedung der Gesellschaft. So abstoßende Morde wie an Schleyer und Buback haben bei vielen, auch Sympathisanten, Abscheu ausgelöst. Im Zusammenhang mit Klein haben wir damals natürlich auch Joschka Fischer überwacht und überprüft, aber nichts gefunden. Es gab keine Beweise dafür, dass er im Zusammenhang stand mit Terroranschlägen.

SPIEGEL ONLINE: Wie hat 68 mit all seinen Folgen die Gesellschaft verändert?

Hofmann: Wir haben viel gelernt über die Verhältnismäßigkeit von Mitteln. Die Bedeutung des Versammlungsrechts ist im Bewusstsein. Das Verhalten von Demonstranten und Polizisten hat sich gewandelt. Auch in den Medien hat sich einiges geändert: Kampagnen und Kampfpresse sind seltener geworden, politisch Interessierte nutzen heute eher Medien, um sich politisch einzumischen. Gewalt als Mittel, um Aufmerksamkeit zu bekommen, ist seltener geworden.

Bedeutung des Gewaltmonopols

SPIEGEL ONLINE: Rechtsradikale sehen das anders: Ist Fischer ein gutes oder ein schlechtes Vorbild für Jugendliche?

Hofmann: Wenn Fischer heute was über die Bedeutung des Gewaltmonopols des Staates sagt, dann hat das mehr Gewicht, weil es in meinen Augen authentisch ist. Natürlich gilt deswegen nicht der Umkehrschluss: Ich müsste Gewalt ausprobieren, um sie später abzulehnen.

Ein Neonazi als Außenminister?

SPIEGEL ONLINE: Haben wir dann in 20 Jahren einen Ex-Neonazi als Außenminister?

Hofmann: Mein Kopf sagt: Ja, das muss möglich sein. Meine Gefühle heute sprechen dagegen. Dafür ist es im Moment zu heftig, was auf der rechtsextremen Seite los ist. Dieser Extremismus, seine Motive und vor allem die rechte Gewalt unterscheidet sich grundsätzlich von 68.

SPIEGEL ONLINE: Was können wir lernen über die Integration von Extremisten?

Hofmann: Es gibt auch eine Radikalität der Mitte. Wenn wir nur noch Mitte und keine Außen mehr haben, entsteht keine Reibung mehr. Eine solche Gesellschaft wäre nicht lebendig. Eine Gesellschaft im Wandel hat auch extreme Seiten. Wenn sie sich nicht mehr wandeln kann, hat sie keine Zukunft. Extreme kann man auch als Hinweis auf Mängel in Gesellschaften interpretieren. Eine lebendige Gesellschaft lernt damit umzugehen, sie braucht Impulse, sonst stirbt sie oder wird in sich radikal.
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